Gripen: zwei – Rafale: null

Kurz vor Weihnachten kamen erneut schlechte Neuigkeiten in Paris an. Nach der Schweiz hatte Dassault auch die Ausschreibung für ein neues Kampfflugzeug in Brasilien (F-X2) verloren. Und erneut zog der französische Jäger gegenüber dem schwedischen Gripen NG den Kürzeren. Dies schmerzt die Franzosen umso mehr, weil der Rafale im Gegensatz zu seinen Konkurrenten bislang keinen ausländischen Betreiber vorweisen kann. Mit Indien verhandelt man nun seit zwei Jahren über die Lieferung und Lizenzproduktion, ohne wirklich voran zu kommen.

 

Eine (böse) Überraschung

Der Entscheid der Brasilianer darf schon als kleine Sensation bezeichnet werden. Dassaults Rafale galt eigentlich als klarer Favorit. Während bei der Avionik die drei Bewerber (neben Saab mit dem Gripen E und Dassault mit dem Rafale bewarb sich auch Boeing mit der F/A-18 E/F Super Hornet) mehr oder weniger von einem Gleichstand ausgegangen werden kann, schienen die zweistrahligen Konkurrenten des Gripen hinsichtlich Zuverlässigkeit, Sicherheit und Ausdauer deutlich die besseren Chancen zu haben als der kleine einmotorige Greif aus Schweden. Das amerikanische Modell wurde dann aber offensichtlich ein Opfer der Snowden-Enthüllungen und der daraus erwachsenen Spannungen zwischen der brasilianischen und der amerikanischen Regierung. Überraschend ist der Entscheid zudem, weil die Brasilianer über diese erste Bestellung von 36 Flugzeugen hinaus möglicherweise bis zu 64 zusätzliche Maschinen ordern möchten, um damit auch ihren Flugzeugträger zu bestücken. Wenn es dabei nicht auf verschiedene Typen setzen will, scheint der Rafale die logischere Wahl. Die Franzosen haben im Gegensatz zu Saab grosse Erfahrungen mit seegestützten Flugzeugen, während bei den Schweden erst eine Konzeptstudie für einen Sea-Gripen in der Schublade liegt.

Kosten und Technologie-transfer ausschlaggebend

Das brasilianische Verteidigungsministerium war natürlich darum bemüht darzulegen, dass „[t]he choice was the object of much study and careful consideration, and took into account performance, effective technology transfer and acquisition costs as well as operating costs”. Gewonnen hatte also das Flugzeug, das die technischen Anforderungen am besten erfüllt hatte. Es steht ausser Frage, dass der Gripen die niedrigsten Beschaffungs- und Betriebskosten aufweist. Dassault bot 36 Maschinen für 8 Milliarden US$ an, Boeing lag mit 7.5 Milliarden US$ etwas darunter. Bei Saab müssen die Brasilianer ‚nur‘ 4.5 Milliarden Dollar deponieren. Noch frappanter ist der unterschied bei den Betriebskosten. Eine einzelne Flugstunde (siehe Grafik) kommt gemäss Jane’s bei Hornet und Rafale 2.5 beziehungsweise 3.5 Mal so teuer zu stehen wie beim Gripen!

Noch mehr als die Kosten dürften aber die Trümpfe Technologietransfer und Kompensationsgeschäfte der Schweden gestochen haben. Trotz Finanzkrise und sozialen Unruhen darf nicht vergessen werden, dass Brasilien als aufstrebende Wirtschaftsmacht ein grosses Interesse an der Modernisierung seiner Luft-, Raumfahrt- und Rüstungsindustrie hat. Saab hat offenbar zugesagt, grosszügig Patentrechte an Brasilien abzugeben, und ausserdem den Brasilianern das Recht eingeräumt, den Gripen Exklusiv in Südamerika vermarkten zu können. Kritische Stimmen haben aber bereits Zweifel angebracht, da Saab zu einem grossen Teil gar nicht über die Rechte an vielen Bauteilen verfüge (wie zum Beispiel beim Radar das von SELEX in Grossbritannien produziert wird) und warnen vor einer ungewollten Abhängigkeit.

Auswirkungen auf die Schweiz?

Es bleibt noch die Frage, ob die brasilianische Entscheidung Auswirkungen auf die Diskussionen in der anstehenden Abstimmung in der Schweiz haben könnte. Tendenziell wird das Geschäft in den Diskussionen nicht so viel zu reden geben, einfach auf Grund der Tatsache, dass die geo- und sicherheistpolitische Ausgangslage in Südamerika eine komplett andere ist als hier in Zentraleuropa. Einzelne Punkte wie die Lieferfristen und auch die Finanzierung könnten aber durchaus thematisiert werden. Saabs Offerte beinhaltet nämlich auch die Klausel, wonach die erste Rate erst sechs Monate nach Lieferung des letzten Flugzeugs überwiesen werden muss und der restliche Betrag innerhalb von 15 Jahren. Dies und die Tatsache, dass die Lieferung zeitgleich mit derjenigen an die Schweiz (2018) beginnen soll, könnten vor allem diejenigen Kritiker auf den Plan rufen, die nach wie vor vom Flugzeug als solches nicht überzeugt sind und Zweifel an der Zuverlässigkeit von Saab haben.

Andererseits könnte dieser Entscheid aber auch gerade jene beruhigen, welche Angst vor einem finanziellen Abenteuer à la Mirage haben. Mit diesem Auftrag scheint die Produktionslinie für längere Zeit gesichert. Die Schweden bewerben sich zudem aktuell auch noch an der dänischen Ausschreibung, welche nach dem Ausstieg aus dem JSF Programm neu angesetzt wurde. Und Saab wird zusammen mit Boeing ins Rennen für ein neues Schulflugzeug zur Ausbildung von Jetpiloten der US Air Force steigen. Als Basis für das T-X-Programm wollen sie dabei den den Gripen F anbieten. Auch hier räumen Fachleute dem Schweden allein wegen der technischen Voraussetzungen sehr gute Chancen ein.

Lukas Hegi,
VSN Vorstand