Oberstlt i Gst Niels O. Büchi, Partner National Military Representative (PNMR) NATO/ACO

Seit 1996 ist die Schweiz im Rahmen der PfP (Partnerschaft für den Frieden) mit der Schweizer Mission bei der NATO (North Atlantic Treaty Organization) in Brüssel vertreten. Seite an Seite setzen sich Diplomaten des EDA und Offiziere des VBS für die Anerkennung der Beiträge der neutralen Schweiz, zur Sicherheit in Europa ein. Das zwanzigjährige Schweizer Engagement  stellt sich erfolgreich dem sich im Wandel befindenden und von neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen geprägten Umfeld der NATO.

 

Der euroatlantische Raum im Wandel

Kurz vor dem NATO-Gipfel anfangs Juli in Warschau steht Europa vor einer Vielzahl sicherheitspolitischer Herausforderungen. Die Gleichzeitigkeit der Krisen, die Interferenz der Spannungen und das einhergehende Potential zur gegenseitigen Eskalation führen zu einer brisanten Lage für die europäischen Kooperationen und ihre Mitglieder- und Partnerstaaten.

Die Annexion der Krim durch Russland, der separatistische Konflikt in der Ukraine und sichtbare Zeichen der Wiederaufrüstung zeugen von höheren Risiken an der östlichen und südöstlichen Peripherie der NATO. Failing States und kriegszerstrittene Regionen im Mittleren Osten und in Afrika führen zu humanitären Katastrophen und Flüchtlingsbewegungen nach Europa, die die EU überfordern. Der aus tief eingenisteten Netzen in unserer Gesellschaft eskalierte Terror bedrückt das Leben in den Hauptstädten Europas. Neue Formen der Kriegsführung im Cyber-Bereich bedrohen unsere hochtechnologisierte esellschaft.

Die internationalen Instrumente der Krisenbewältigung sind vor grosse Herausforderungen gestellt. Europas Uneinigkeit in der Flüchtlingsfrage, nationalistische Reaktionen wie Rechtsrutsche bei Wahlen und, als markantes Beispiel, die politische Diskussion um den Brexit, in Kombination mit einer nicht zu bewältigenden Wirtschaftsflaute, wirken auf die Gesamtlage des Kontinentes destabilisierend.

Die NATO hat seit 2014 die bereits bei ihrem letzten Gipfel in Wales begonnene Stärkung ihrer Verteidigungsbereitschaft konsequent weitergeführt und nach zwei Jahrzeiten der wohlwollenden Ausrichtung auf Kooperation ihre Kern-aufgabe, die kollektive Verteidigung, wieder prioritär angesiedelt. Die Beziehung zu Russland muss neu definiert werden, da die östliche Macht wieder als Gegner wahrgenommen wird; Wege zum Dialog mit Moskau sollen jedoch nicht aufgegeben werden.

Zur Stärkung der Sicherheit im euro-atlantischen Raum wird auch die Förderung der Stabilität der südlichen Partner in ihrer konfliktzerstrittenen Umgebung von der NATO als wichtige Aufgabe akzentuierter umgesetzt. Die Politik der offenen Türen wird mit der prognostizierten Aufnahme von Montenegro im Frühjahr 2017 zwar fortgesetzt, im Falle von Georgien und weiteren Staaten jedoch klar verzögert.

Die NATO muss das Verhältnis zu Russland neu definieren und unbedingt den die Möglichkeit zur Kommunikation offenhalten. (Bild Fahrzeuge der US Army Europe bei der Operation Dragoon Ride) / Bild: US Army Europe/Flickr

Die NATO muss das Verhältnis zu Russland neu definieren und unbedingt den die Möglichkeit zur Kommunikation offenhalten. (Bild Fahrzeuge der US Army Europe bei der Operation Dragoon Ride) / Bild: US Army Europe/Flickr

 

Politisch-/militärischer Schulterschluss

Die Ständige Mission der Schweiz bei der NATO besteht seit 1996 und spielt eine wichtige Rolle für die Förderung der Schweizer Ziele gegenüber der Organisation. Sie setzt sich für eine positive Entwicklung der Beziehungen zwischen der Schweiz und der NATO im Rahmen der PfP ein. Die Mission verfolgt die politisch-militärischen Entwicklungen innerhalb der Allianz. Basierend auf den politischen Vorgaben und den Kooperationszielen mit der NATO vertritt die Mission die Schweiz in einzelnen Komitees, wie zum Beispiel in jenem zur Beaufsichtigung der internationalen friedensfördernden Mission „Kosovo Force“ (KFOR), wo ein Schweizer Friedensförderungs-Kontingent „Swisscoy“ seit dem Beginn des Einsatzes 1999 eingegliedert ist. Zusätzlich fördert die Mission die innerhalb der NATO für die Schweiz relevanten aussenpolitischen Initiativen. Durch ihre Berichterstattung an das EDA und das VBS leistet die Mission einen Beitrag zur Gestaltung und Formulierung der internationalen Sicherheitspolitik.

Botschafter Christian Meuwly ist Missionschef der Schweizer Mission bei der NATO und vertritt gleichzeitig die Schweiz gegenüber dem Königreich Belgien. Das Team bei der Mission setzt sich aus versetzbarem Personal des EDA und des VBS zusammen und wird durch einen lokalen Supportstaff unterstützt.

Die Struktur der Schweizer Mission ist vergleichbar mit den Vertretungen der anderen Länder, wenn auch personell viel bescheidener aufgestellt.

Die Militärische Vertretung besteht aus dem militärischen Repräsentanten (Mil Rep), aktuell Brigadier Heinz Huber, seinem Stellvertreter (Dept Mil Rep), Oberst Markus Widmer, dem Führungsgehilfen, Stabsadjutant Christian Wiesli, sowie je einem nationalen Vertreter am Allied Command Operations (ACO), Oberstlt i Gst Niels Büchi, und Allied Command Transformation (ACT), Oberst i Gst Marco Bezzola. Zusätzlich nehmen der Mil Rep, sein Stellvertreter und der Vertreter beim ACO noch Aufgaben gegenüber der ESDP (European Security and Defence Policy) wahr. Verstärkt wird das Team durch den zivilen Vertreter der armasuisse, welcher seine Aufgaben ebenfalls gegenüber der NATO und der ESDP erfüllt.

Der Schulterschluss zwischen der politischen und militärischen Seite der Mission ist Garant für ein gesamtheitliches Arbeiten im Verbund zugunsten der Schweizer Sicherheitspolitik.

Oberstlt i Gst N. Büchi, PNMR überbringt dem neuen Oberbefehlshaber der NATO und der US-Truppen in Europa, General C. Scaparrotti, SACEUR die besten Wünsche anlässlich des Change of Command. / Bild: NATO

Oberstlt i Gst N. Büchi, PNMR überbringt dem neuen Oberbefehlshaber der NATO und der US-Truppen in Europa, General C. Scaparrotti, SACEUR die besten Wünsche anlässlich des Change of Command. / Bild: NATO

 

Die Zukunft von NATO-Partnerschaften

Die PfP, die 1994, basierend auf dem NACC (North Atlantic Cooperation Council) der NATO, ins Leben gerufen wurde, diente in den ersten 20 Jahren ihres Bestehens in erster Linie der Stabilisierung der ehemaligen WAPA-Staaten (Warschauer-Pakt) und der Konfliktparteien des ehemaligen Jugoslawiens. Der Kumulationspunkt der Integration dieser Staaten ist jedoch mit dem Beitritt von zwölf ehemaligen PfP-Mitgliedern in die NATO und mit der Rückkehr des PfP-Mitgliedes Russlands zur konsequenten Machtpolitik erreicht.

Bereits 1997 wurde mit dem EAPC (Euro-Atlantic Partnership Council), der Nachfolgeorganisation des NACC, eine Institution gegründet, welche die PfP-Mitglieder mit den NATO-Mitgliederstaaten zusammenbringt. Der NATO Mediterranean Dialogue, die ICI (Istanbul Cooperation Initiative) und die Partners across the Globe erweitern die NATO-Partnerschaften geografisch in den südlichen Mittelmeerraum, in die Golfregion und nach Asien sowie in den pazifischen Raum. Zudem gewinnen die Partnerschaften der NATO mit internationalen und regionalen Organisationen wie der UNO, der EU (European Union), der OSCE (Organization for Security and Co-operation in Europe) und dem ICRC (International Committee of the Red Cross) zunehmend an Relevanz.

Der gesamtheitliche Ansatz, unter Einbezug möglichst vieler Partner, widerspiegelt sich klar im sicherheitsstrategischen Denken und Handeln der NATO. Dieser Trend, von einer euro-atlantischen Allianz zu einem Weltbündnis, wird sich auch am NATO-Gipfel vom kommenden Juli in Warschau angesichts der zunehmenden Gefahr bewaffneter Angriffe gegen NATO-Mitgliederstaaten und des erhöhten Terrorrisikos bestätigen.

Die Beteiligung der Schweiz an der PfP dient unter anderem der Vorbereitung auf UNO-, NATO- und EU-geführte Friedensmissionen. (Bild: LMT im Kosovo) / Bild: NATO

Die Beteiligung der Schweiz an der PfP dient unter anderem der Vorbereitung auf UNO-, NATO- und EU-geführte Friedensmissionen. (Bild: LMT im Kosovo) / Bild: NATO

Die PfP ist im sicherheitspolitischen Umfeld der NATO, wie es sich 2016 präsentiert, ein bedeutsames, aber aufgrund ihres Entstehungskonzepts anfangs der 1990er Jahre nicht mehr zukunftsweisendes Partnerschaftsformat. Vereinfacht dargestellt können die PfP-Mitgliederstaaten 2016 in zwei Kategorien unterteilt werden: In die Staaten, die aufgrund ihrer sicherheitspolitischen Gegebenheiten NATO-Mitglied werden könnten, aber politisch nicht wollen und somit über eine sicherheitspolitische Handlungsfreiheit verfügen, und in jene Staaten, die wollen, aber nicht können und deren Handlungsfreiheit sehr stark eingeschränkt ist. Innerhalb der beiden Gruppen präsentieren sich die nationalen Interessen und Gegebenheiten der Staaten jedoch sehr unterschiedlich. Während das Handeln der ersten Gruppe hauptsächlich von neutralitätspolitischen und allianzfreien Überlegungen geprägt ist, sind in der zweiten Gruppe vor allem sowjetrussische Erblasten und/oder geopolitische Gegebenheiten politikbestimmend. Demokratische Staatsstrukturen, sicherheitspolitische Konstellationen und der Zustand der Armee attestieren den Staaten der ersten Gruppe, im Vergleich zur zweiten, zusätzlich eine erhöhte militärische Interoperabilität. Dies ist nicht per se mit einer NATO-Integration gleichzusetzen, sondern hängt vielmehr mit einer aktuellen Beurteilung der Sicherheitslage und einer angepassten und modernen Streitkräfteentwicklung zusammen.

Die Interessen der PfP-Staaten präsentieren sich nach über 20 Jahren aufgrund der veränderten sicherheitspolitischen Lage im euro-atlantischen Raum als heterogener denn je. Die Umsetzung allgemein gültiger Partnerschaftskonzepte und Agenden gehört der Vergangenheit an.

Politische Veränderungen zwingen die NATO und mit ihr die Partnership for Peace zur Veränderung findet der Autor. (Bild: NATO HQ in Brüssel) / Bild: NATO

Politische Veränderungen zwingen die NATO und mit ihr die Partnership for Peace zur Veränderung findet der Autor. (Bild: NATO HQ in Brüssel) / Bild: NATO

Die NATO beabsichtigt vermehrt, den unterschiedlichen Bedürfnissen der Partner grössere Aufmerksamkeit zu schenken und ihren individuellen Gegebenheiten stärker Rechnung zu tragen. Ein Paradigmawechsel in den Partnerschaftsbeziehungen der NATO, von forderungs- zu förderungszentrierter Partnerschaftspolitik? Nein, im Zentrum steht die auf Realpolitik basierende Geopolitik der NATO; die Domination des euro-atlantischen Raums und dessen Peripherie zur Wahrung der nationalen Interessen der Mitgliederstaaten ist nur ein Beispiel dafür. In den geografischen Räumen, wo es der Sache dient, werden die Partnerschaften gefestigt. Es ist daher ein verstärkter Fokus auf die Kooperationen der Staaten des Mediterranean Dialogue, der ICI und der Partners across the Globe zu erkennen. Dass Länder wie Australien, Japan oder auch Jordanien nicht mit den gleichen Konzepten wie im Falle der Integration der Staaten von Exjugoslawien oder der ehemaligen Sowjetrepubliken an Bord geholt werden können, liegt politisch auf der Hand.

Die PfP ist für die Schweizer Sicherheitspolitik eine 20-jährige Erfolgsgeschichte. Dank einer massgeschneiderten Beteiligung konnte sich die Schweiz in ihrem Interesse gezielt in die internationale diplomatische und militärische Friedensförderung einbringen. Damit die Präsenz der Schweizer Interessen auch in Zukunft der internationalen Sicherheitspolitik erhalten bleibt, muss sie sich mit flexiblen Lösungsansätzen und angepassten Konzepten den veränderten Gegebenheiten stellen.